Güter, Knappheit & Präferenzen

Güter, Knappheit & Präferenzen

Ziele und Mittel sind zwei zentrale Elemente des menschlichen Handelns. Unter Zielen verstehen wir das, was das Individuum durch seine Handlungen erreichen möchte, und Mittel sind Dinge, die ihm zum Erreichen seiner Ziele als nützlich erscheinen. Ziele sind subjektiv – unterschiedliche Menschen verfolgen verschiedene Ziele. Was für mich ein Ziel darstellt, muss für einen anderen lange nicht erstrebenswert sein. Ebenso verhält es sich bei den Mitteln: Etwas, das ich als nützlich bei der Erreichung meiner Ziele ansehe, kann für einen anderen komplett unnütz sein. Statt dem Begriff „Mittel“ wird auch manchmal der Begriff „Güter“ synonym verwendet, wie wir es hier auch tun werden. Mittel bzw. Güter können nicht nur materielle Dinge und Dienstleistungen, sondern auch Menschen, die Zeit oder Immaterielles wie Freundschaften sein. Allgemein lässt sich sagen, dass folgende Bedingungen erfüllt sein müssen, damit für einen Menschen ein Element aus seiner Umgebung zu einem Gut werden kann:

  • der Mensch hat ein unerreichtes Ziel

  • und den Eindruck, dass dieses Element aus seiner Umgebung ihm helfen könnte, sein Ziel zu erreichen

  • und er kann darüber verfügen oder es beschaffen

Sind alle diese Bedingungen erfüllt, kann für diesen Menschen aus dem Element seiner Umgebung ein Gut werden, andernfalls nicht. Wenn ich zum Beispiel Hunger habe und vor mir liegt eine Kokosnuss, aber ich habe vorher noch nie eine gesehen und weiß nicht, dass sie essbar ist, dann werde ich sie in diesem Fall nicht als Mittel zur Stillung meines Hungers einsetzen. Und wenn ich unter einem Apfelbaum stehe, an dem ganz oben ein saftiger roter Apfel wächst, den ich aber einfach nicht erreichen kann, dann kann er für mich ebenfalls kein Mittel sein.

Wenn ein Gut ein Bedürfnis direkt befriedigt, nennen wir es Konsumgut oder Gut erster Ordnung. Die Güter, die Bedürfnisse indirekt erfüllen, indem sie dazu beitragen, Konsumgüter herzustellen, heißen Produktionsfaktoren oder Güter höherer Ordnung. Wenn ein Produktionsfaktor direkt an der Herstellung eines Konsumguts beteiligt ist, nennen wir ihn Gut zweiter Ordnung oder Produktionsfaktor erster Ordnung. Wenn er dagegen an der Herstellung eines Guts zweiter Ordnung beteiligt ist, dann ist es ein Gut dritter Ordnung, und so weiter. Die Unterscheidung in die verschiedenen Stufen ist sehr relevant für Konjunkturzyklen, wie wir in einem späteren Artikel sehen werden. Dass die Ordnung eines Guts subjektiv ist, kann man an folgendem Beispiel erkennen: Wir befinden uns auf einer einsamen Insel und finden am Strand einen Stock. Für manche ist das einfach nur ein Stock, für den sie keine Verwendung haben, er stellt für sie also kein Gut dar. Nun kratzt mich aber etwas am Rücken an einer Stelle, an die ich selbst nicht einfach rankomme, daher kann ich den Stock als Mittel verwenden, um mein Ziel – das Kratzen zu stillen – zu erreichen. In dem Fall ist der Stock für mich ein Konsumgut, weil ich ihn direkt zur Bedürfnisbefriedigung verwende. Jemand anderes könnte denselben Stock dagegen als Mittel einsetzen, um damit Kokosnüsse von den Palmen zu holen. Der Stock wäre dann für denjenigen ein Produktionsmittel, denn er dient nicht direkt der Bedürfnisbefriedigung, sondern ist dafür da, ein Konsumgut – in dem Fall die Kokosnuss – zu beschaffen. Meistens sind Produktionsprozesse allerdings nicht so einfach wie in diesem Beispiel, in unserer modernen Gesellschaft sind sie meist sehr kompliziert, was man schon an einem belegten Brot nachvollziehen kann: Das belegte Brot ist in dem Fall das Konsumgut, also ein Gut erster Ordnung. Güter zweiter Ordnung sind das unbelegte Brot, der Brotbelag, ein Messer, die Arbeit desjenigen, der das Brot belegt, die Zeit, die derjenige dafür braucht und der Raum, in dem sich der Prozess abspielt. Wir können noch einen Schritt weiter zurückgehen und die Produktionsfaktoren betrachten, die zur Herstellung des Brots, des Messers und des Brotbelags notwendig waren, das sind dann die Güter dritter Ordnung, und dann noch eine Stufe weiter zurück zu den Produktionsfaktoren vierter Ordnung gehen, usw. – wer das Ausmaß an der Stelle noch nicht erahnen kann, kann das gern als Übung selbst weiterführen.

Im Allgemeinen können wir Produktionsfaktoren in drei Klassen unterteilen:

  • in Kapitalgüter, das sind Güter, die selbst produziert wurden,

  • in Arbeit, also das Aufwenden menschlicher Energie, und

  • in Boden, unter diesem Begriff werden Elemente aus der Natur zusammengefasst. Der Begriff ist etwas irreführend, weil er hier anders als im umgangssprachlichen Sinne verwendet wird. „Boden“ im ökonomischen Sinne umfasst neben Land auch natürliche Ressourcen wie Wasser, Öl und Mineralien.

Sowohl Arbeit als auch Boden kommen ebenso wie die Zeit in jeder Produktionsstufe vor. Wir können jeden Produktionsprozess so weit zurückverfolgen, bis wir schließlich an einen Punkt kommen, an dem es keine Kapitalgüter gab und nur Arbeit und Boden existierten und vermischt wurden. Ein handelnder Mensch muss sich aber zum Glück keine Gedanken darüber machen, wie das Gut, das er verwenden möchte, entstanden ist, sondern sich nur damit beschäftigen, wie er es einsetzen möchte.

Nur gibt es da leider das Problem der Knappheit. Wenn der Handelnde meint, dass von einem Gut nicht genügend Einheiten vorhanden sind, um alle seine Ziele, bei denen er das Gut benötigt, befriedigen zu können, dann sprechen wir davon, dass das Gut knapp ist. Nach dieser Definition ist Knappheit subjektiv, liegt also im Auge des Betrachters. Einige Ökonomen sehen Knappheit als Grundvoraussetzung dafür, dass eine Sache zu einem Gut bzw. Mittel werden kann, denn mit Gütern, die nicht knapp sind, muss nicht gewirtschaftet werden und sie sind daher nicht relevant für das menschliche Handeln. Andere Ökonomen wiederum unterscheiden in knappe und nichtknappe Güter, wobei die ersteren dann auch ökonomische oder wirtschaftliche Güter und die letzteren freie Güter genannt werden. „Knappheit“ wird häufig mit „begrenztem Bestand“ oder „Endlichkeit“ assoziiert, aber das ist auf keinen Fall gleichzusetzen. Auf unserer Erde sind alle materiellen Ressourcen begrenzt, dennoch sind nicht alle knapp. Sauerstoff zum Beispiel ist zwar für unsere Maßstäbe sehr viel vorhanden, aber eben doch nur endlich viel. In den meisten Situationen müssen wir uns allerdings keine Gedanken machen, wann wir wie viel davon verwenden. Sauerstoff ist dann für uns nicht knapp, wir müssen nicht planen, wann wir wie viel atmen und müssen uns nicht überlegen, auf welche Handlungen wir vielleicht verzichten, weil der Sauerstoff dafür nicht reicht. Anders sieht es zum Beispiel beim Tauchen aus, da kann Sauerstoff sehr wohl ein knappes Gut sein. Dieses Beispiel unterstreicht auch nochmal die Aussage, dass Knappheit subjektiv und situationsabhängig ist. Und auch Dinge, bei denen wir tatsächlich sagen würden, dass sie selten sind, müssen nicht knapp sein, denn es kann sein, dass niemand sie als Mittel in seinen Handlungen nutzen möchte. Manche Ökonomen begründen Knappheit damit, dass die irdischen Ressourcen beschränkt und die Bedürfnisse der Menschen unbeschränkt seien. Diese Annahme geht allerdings zu weit, denn es gibt auch Menschen, die versuchen das Ausmaß ihrer Bedürfnisse einzudämmen, wie Asketen oder Minimalisten. Österreichische Ökonomen sehen Knappheit vielmehr als Folge der Struktur unserer Welt: Sowohl unser physischer Körper als auch die Zeit sind knapp, unser Körper kann nicht an zwei Orten gleichzeitig sein und wir können nicht beliebig viele Dinge zur gleichen Zeit tun. Diese Art der Knappheit kann nicht überwunden werden, weder durch irgendeine Technologie, noch durch eine Gesellschafts- oder Wirtschaftsordnung.

Aus dem Problem der Knappheit ergibt sich die Notwendigkeit, zwischen den angestrebten Zielen abzuwägen, da die Mittel in der Regel nicht ausreichend sind, um alle Ziele zu erreichen. Wir müssen daher, jeder individuell für sich, eine Reihung dieser Ziele vornehmen, das nennen wir dann Präferenzskala. Wir ziehen also bestimmte Ziele anderen vor, die wir ebenso gut verfolgen könnten. Da sich jeder Mensch permanent im Wandel befindet, ändert sich natürlich auch seine Präferenzskala ständig. Wichtig ist es an der Stelle zu verstehen, dass wir die Wichtigkeit von Zielen zwar untereinander vergleichen, aber nicht quantifizieren, also durch einen Zahlenwert ausdrücken können. Zum Beispiel macht es wenig Sinn zu sagen, dass man im Moment dreimal lieber Fußball als Schach spielen würde oder dass Schachspielen für einen gerade den Wert zwei besitzt. Den Zielen Zahlen zuzuweisen, die dessen Wert beschreiben sollen, ist etwas sehr willkürliches und es gibt keine eindeutige Möglichkeit, dies zu tun, Wert ist nichts Messbares. Es macht aber durchaus Sinn zu sagen, dass man es im Moment vorzieht, Fußball statt Schach zu spielen. Wenn wir schon die Präferenzen von einzelnen Individuen nicht quantifizieren, sondern nur vergleichen können, ergibt es erst recht keinen Sinn, die Präferenzen von mehreren Menschen in irgendeiner Art und Weise kombinieren zu wollen. Um das kurz zu verdeutlichen, nehmen wir an, zwei Freunde streiten darüber, ob sie nun eine Runde Schach oder eine Runde Fußball spielen wollen. Der eine zieht Schach vor, der andere Fußball. Wie sollte man objektiv bestimmen können, wie die „gemeinsame“ Präferenzskala der beiden aussieht, ob beide zusammen dann Fußball vor Schach oder Schach vor Fußball präferieren? Wodurch erfahren sie in Summe mehr Befriedigung? Die Ökonomie kann diese Frage nicht beantworten. Es macht aus diesem Grund auch keinen Sinn, so etwas wie einen „gesamtgesellschaftlichen Nutzen“ oder eine „gesamtgesellschaftliche Zufriedenheit“ bestimmen zu wollen. Vorschläge oder Maßnahmen, die dadurch gerechtfertigt werden, dass sie eben diesen „gesellschaftlichen Nutzen“ maximieren wollen, sind daher kritisch zu sehen. Der Utilitarismus – die Form der Ethik, es sich zum Ziel setzt, das „Glück“ der Betroffenen zu maximieren – ist also zumindest aus Sicht der Österreichischen Schule fragwürdig.

Wieder zurück zum Individuum: Das Aufstellen einer Präferenzskala muss kein bewusster Vorgang sein, im Gegenteil: Präferenzen werden erst im Handeln sichtbar. Wir können zwar jemanden fragen, wie seine Präferenzskala aussieht, aber das, was derjenige daraufhin antwortet, entspricht nicht zwangsläufig seinen tatsächlichen Präferenzen. Wir müssen daher klar zwischen ausgedrückten und demonstrierten Präferenzen unterscheiden. Zum Beispiel könnte jemand, der gerade arbeitet, behaupten, er würde viel lieber entspannen, aber die Tatsache, dass er das nicht tut, zeigt, dass seine wahre Präferenz eine andere ist – zum Beispiel, genügend Geld zu haben, um sich etwas bestimmtes zu leisten oder um sich und seine Familie ernähren zu können. Nicht nur hinsichtlich der Ziele, auch hinsichtlich der Mittel gibt es Präferenzen. Viele Wege führen nach Rom, und so führen meist auch unterschiedliche Mittel zum angestrebten Ziel. Wenn ich meinen Hunger stillen will, dann kommt theoretisch jedes verfügbare Nahrungsmittel als Mittel dafür infrage, aber es gibt Dinge, auf die ich im Moment gerade mehr Appetit habe als auf andere, oder die ich aus einem anderen Grund präferiere, zum Beispiel weil sie gesünder für mich sind.

Vorträge:

Phillip Bagus: Preis- und Werttheorie, Grundsätze der Volkswirtschaftslehre

Bücher:

Murray Rothbard: Man, Economy & State

Rahim Taghizadegan: Alles, was Sie über die Österreichische Schule der Nationalökonomie wissen müssen

Carl Menger: Grundsätze der Volkswirtschaftslehre

Robert Murphy: Lessons for the young economist