My Body, her choice? Abtreibungen aus naturrechtlicher Perspektive

My Body, her choice? Abtreibungen aus naturrechtlicher Perspektive

Der nachfolgende Text widmet sich dem kontroversen Thema „Abtreibungen“, bei welchem sich über alle politischen Ansichten hinweg zwei Positionen fundamental gegenüber stehen: Auf der einen finden sich die sogenannten „Pro-Lifer“ oder Abtreibungsgegner, welche Abtreibungen aus verschiedenen Perspektiven heraus ablehnen oder zumindest stark beschränken möchten. Die Abtreibungsbefürworter oder „Pro-Choicer“ bilden den Gegenpol, da sie – ebenfalls aus sehr unterschiedlichen Gründen – Abtreibungen grundsätzlich befürworten und in der Regel als Recht der Frau bzw. Schwangeren ansehen.

Auch in den freiheitlichen, libertären Strömungen tobt diese Debatte seit Jahrzehnten. Gerne möchten wir ebenfalls unseren Beitrag zur Meinungsbildung und Diskussion leisten, in dem wir Abtreibungen aus naturrechtlicher Perspektive betrachten.

Selbsteigentum im Libertarismus beziehungsweise Anarchokapitalismus bezeichnet die Eigentümerschaft eines Individuums über sich selbst, also die exklusiven Verfügungsrechte über den eigenen Körper. Damit ist sowohl die Eigentümerschaft über den eigenen Körper als auch die Eigentümerschaft über das „Selbst” im Sinne von Carl Gustav Jung eingeschlossen. Aus dieser Eigentümerschaft folgt, dass jeder Mensch absolute Handlungsfreiheit hat mit seinem Körper zu tun und zu lassen, was ihm gefällt, vorausgesetzt, er verletzt dabei keine (Eigentums-)Rechte anderer. Jede Form von illegitimen Zwang oder ungerechtfertigter Gewalt stellt einen Eingriff in das Selbsteigentum des Menschen dar. Dadurch erhält das Konzept „Selbsteigentum“ eine axiomatische Stellung innerhalb der Moralphilosophie und ist die Grundlage der Herleitung von negativen Freiheitsrechten. Eine zentrale Folgerung aus dem Selbsteigentumskonzept ist das „Nichtaggressionsprinzip“ (NAP): Die Initiierung oder Androhung von Gewalt gegen Rechte oder Eigentum anderer Menschen ist inhärent moralisch falsch. Ein Beispiel für die axiomatische Notwendigkeit des Selbsteigentums für das Nichtaggressionsprinzip liefern Habermas und Hoppe mit der Argumentations- oder Diskursethik.

Doch warum ist „Selbsteigentum“ überhaupt notwendig? Eigentum hat den Zweck, interpersonale Konflikte in einer Welt aus knappen Ressourcen gewaltfrei zu lösen. Solche Konflikte entstehen, wenn zwei oder mehr Personen mit einer knappen Sache zur gleichen Zeit unterschiedliche Ziele verfolgen. Der menschliche beziehungsweise der eigene Körper ist eine knappe Ressource, also stellt sich die Frage: Wem gehört er? Die Eigentümerschaft über den Körper liegt entweder bei demjenigen, dessen Körper es ist, oder die Eigentümerschaft liegt bei jemand anderem. Letzteres ist zum Beispiel unter dem Begriff „Sklaverei“ bekannt.

Wie und wann erhält ein Mensch das Selbsteigentum?

Das Konzept des „Selbsteigentum” geht auf naturrechtliche Überlegungen zurück. Der Begriff „Naturrechte“ beschreibt alle Rechte, deren Existenz nicht auf Gesetze oder Bräuche einer Regierung oder Kultur angewiesen ist. Naturrechte sind universal, fundamental und unveräußerlich – sie können also nicht durch menschliche Gesetze oder Handlungen aufgehoben werden, lediglich die Ausübung von natürlichen Rechten kann durch Handlungen Dritter (z. B. Verletzung des Selbsteigentums durch Sklaverei) verhindert werden. Die bloße Existenz des natürlichen Rechts auf Selbsteigentum bleibt davon aber immer unberührt.

Ein Blick in die stoische Philosophie der Antike zeigt, warum der Naturzustand im Selbsteigentum liegt:

Es ist ein Irrtum, sich vorzustellen, dass die Sklaverei das ganze Wesen eines Menschen durchdringt; der bessere Teil von ihm ist davon ausgenommen: der Körper ist zwar unterworfen und in der Macht eines Herrn, aber der Geist ist unabhängig, und zwar so frei und wild, dass er nicht einmal durch dieses Gefängnis des Körpers, in dem er eingesperrt ist, zurückgehalten werden kann. - Seneca der Jüngere, De beneficiis, III, 20.

Das Fremdeigentum (= Sklaverei) ist folglich ein extern bedingter Zustand, in dessen Rahmen der körperliche Teil des Selbsteigentums verletzt wird. Das Selbsteigentum geht also in jedem Falle dem Fremdeigentum voraus, wobei sich letzteres auf die aggressive Verletzung des Selbsteigentums am eigenen Körper beschränken muss, da der „Geist“ sich dem Zugriff Dritter grundsätzlich entzieht und somit nur dem jeweiligen Individuum gehören kann. Selbsteigentum hat folglich jeder Mensch durch sein Dasein als Mensch, es ist ein Naturrecht.

Den Aspekt des „Geistes” aufgreifend, sei an dieser Stelle auch auf mögliche Implikationen der Tiefenpsychologie und Analytischen Psychologie hingewiesen: Carl Gustav Jung postuliert in seiner tiefenpsychologischen Theorie den Begriff des „Selbst”. Das „Selbst” bezeichnet laut Jung den zentralen Mittelpunkt der menschlichen Gesamtperson und gleichzeitig die Totalität der Psyche, welche das menschliche Bewusstsein und das Unbewusste umfasst. Das Selbst existiert nach Jung bereits vor der Entwicklung eines „Ich-Bewusstseins”, welches sich im Laufe der menschlichen Entwicklung aus dem Selbst differenziert. Praktisch bedeutet dies, dass das Selbst bereits alle Anlagen und Potenziale des Individuums umfasst, dabei trennt Jung nicht zwischen körperlichen und seelischen Komponenten. Das Selbst verfügt entsprechend auch über körperliche Aspekte. Da nur das jeweilige Individuum mit dem Selbst wesensidentisch ist und keine dritte Person über das Selbst verfügen kann, liegt das Eigentum am Selbst folgerichtig immer beim Individuum. Zur Erinnerung: Das jungianische Selbst ist vorbewusst und damit nicht an das Vorhandensein einer Ich-Identität geknüpft. Da sich das „Ich“ aus dem „Selbst“ in den ersten Lebensjahren erst differenzieren muss, folgt daraus, dass das „Selbst“ bereits zum biologischen Lebensbeginn vorhanden sein muss - auch wenn Jung in seinen Schriften das Kind erst ab der Geburt betrachtet. Die neurobiologische Forschung zum Einfluss pränataler Rahmenbedingung für das spätere Leben eines Menschen (sog. „fetal programming”, z. B. Mikrostruktur der Amygdala von Neugeborenen in Abhängigkeit vom Cortisol-Level der Mutter während der Schwangerschaft [1]) gibt Hinweise auf die Notwendigkeit der pränatalen Existenz des Selbst.

Da das Selbsteigentum als Naturrecht fundamental und universell ist, also jeder Mensch qua seiner Existenz als Mensch über exklusives Eigentum an sich selbst verfügt, ist insbesondere im Hinblick auf Abtreibungen zu klären, wann der Mensch erstmalig existiert. Diese Notwendigkeit wurde und wird ebenfalls von den „Pro-Choicern“ erkannt, was sich häufig in mehr oder weniger polemischen Aussagen wie „ein Fötus ist nur ein Zellklumpen“ oder „der Fötus ist zwar ein Lebewesen aber keine Person“ entlädt.

Nach gängiger Meinung unter Biologen – über politische Weltanschauungen hinweg - beginnt das menschliche Leben mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle (Fertilisation) [2]. Zu diesem Zeitpunkt [3] bildet sich ein neues Exemplar der Spezies Mensch, mit einmaligem genetischem Code, der sich eindeutig von der DNA der jeweiligen Eltern unterscheiden lässt. Diese individuelle und einzigartige genetische Konfiguration bleibt im Normalfall über die gesamte Lebenszeit unverändert. Der heranreifende Fötus ist also kein bloßer Zellklumpen, sondern bereits ein Mensch, sein Dasein im Mutterleib ist nur eine Frage des Entwicklungsstandes und nicht seiner Natur als Mensch.

„Personwerdung“

Wann ist ein Mensch eine Person?

Unter Abtreibungsbefürwortern finden sich Stimmen, die diesen einfachen Fakt zwar akzeptieren, jedoch den Aspekt der „Personwerdung“ als Argument anführen.

Abtreibungen seien legitim, da zwar ein menschliches Leben beendet werde, dieses Leben aber noch nicht zu einer Person gereift sei. Dieser Standpunkt muss aus mehreren Perspektiven zurückgewiesen werden. Zum einen ist die Zeitpunktbestimmung, ab dem eine Person eine Person ist, unmöglich festzustellen. Zweitens kann „Personwerdung“ nur innerhalb eines menschlichen Lebewesens stattfinden, eine Trennung dieser Entitäten ist willkürlich. [4] Für die Frage der Legitimität von Schwangerschaftsabbrüchen ist dieses Argument folglich irrelevant. Ebenfalls kann das „Bewusstseinsargument“ zurückgewiesen werden, nachdem ungeborene Kinder abgetrieben werden dürfen, da diese kein Bewusstsein hätten. Wie das Beispiel von Komapatienten oder Menschen mit geistiger Behinderung eindeutig aufzeigt, kann das Selbsteigentum nicht von kognitiven oder mentalen Fähigkeiten und Zuständen, welche Kernaspekte des Bewusstseinsbegriff bilden, abhängig gemacht werden. Als Naturrecht haben selbstverständlich auch diese Menschen Selbsteigentum, es ist also weder legitim, Komapatienten zu euthanasieren, noch dürfen Behinderte versklavt werden.

Selbsteigentum der Mutter

Selbsteigentum der werdenden Mutter?

Nachdem nun geklärt ist, dass auch das ungeborene Kind das Selbsteigentum an sich besitzt, stellt sich die Frage nach dem Selbsteigentum der Mutter. Hat diese nicht auch das bedingungslose Eigentum an sich selbst? Darf Sie nicht auch im Falle einer Schwangerschaft frei über ihren eigenen Körper verfügen?

Der bekannte anarchokapitalistische Philosoph Murray Rothbard hat diese und weitere Fragen in seinem Werk „The Ethics Of Liberty” ausführlich zu beantworten versucht. So schreibt er zum Selbsteigentum der Mutter folgendes:

Dies impliziert unmittelbar, dass jede Frau das absolute Recht auf ihren eigenen Körper hat, dass sie die absolute Hoheit über ihren Körper und alles, was darin ist, hat. Das gilt auch für den Fötus. Die meisten Föten befinden sich im Mutterleib, weil die Mutter in diese Situation einwilligte, aber der Fötus befindet sich dort aufgrund der freiwillig erteilten Zustimmung der Mutter. Sollte aber die Mutter entscheiden, dass sie den Fötus nicht länger dort haben möchte, wird der Fötus zu einem parasitären „Eindringling” ihrer Person, und die Mutter hat das gute Recht, diesen Eindringling aus ihrem Besitz zu vertreiben. Abtreibung sollte nicht als „Mord” an einer lebenden Person, sondern als die Vertreibung eines unerwünschten Eindringlings aus dem Körper der Mutter betrachtet werden. Alle Gesetze, die die Abtreibung einschränken oder verbieten, sind daher Eingriffe in die Rechte der Mütter. [5]

Rothbard gesteht der Mutter konsistent zu seinen vorangestellten naturrechtlichen Ableitungen die absolute Hoheit über ihren eigenen Körper zu. Das Kind ist aufgrund der Zustimmung der Mutter in ihrem Körper und wird bei Entzug dieser Zustimmung zu einem ungebetenen „Eindringling”. Die Entfernung dieses „Eindringlings” liegt nach seiner Argumentation allein im Ermessen der Mutter; eine legale Verpflichtung, das Kind auszutragen, ist ein Eingriff in die Rechte der Mutter. Der Begriff der legalen Verpflichtung ist in diesem Zusammenhang ein zentraler Punkt um Rothbards Ausführungen richtig zu verstehen: In dem Kapitel „Kinder und Rechte” grenzt Rothbard sehr scharf zwischen „moralischen” und „rechtlichen/legalen” Verpflichtungen ab. Letztere sind einklagbare Ansprüche, die mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden dürfen und im Zweifel auch durchgesetzt werden müssen. In der Realität werden diese Ansprüche in letzter Instanz durch den Staat als Gewaltmonopolisten durchgesetzt. „Moralische“ Verpflichtungen sind im Sinne Rothbards sozial wünschenswerte Verhaltensweisen, auf die aber kein einklagbarer oder durchsetzbarer Anspruch besteht.

Laut Rothbard haben Eltern das Recht, nicht gezwungen zu werden, ihr Kind zu ernähren, einzukleiden oder zu bilden. Das bedeutet NICHT, dass die Eltern keine moralische Verpflichtung hätten, ihr Kind zu versorgen - sie dürfen eben nur nicht dazu gezwungen werden.

Die zwei Argumente, die Rothbard zur Begründung eines Anspruchs des Kindes gegenüber der Mutter aufgreift sind folgende:

  • Vertragsargument: Die Mutter hat der Empfängnis zugestimmt und somit einen „Vertrag” mit dem Fötus geschlossen, den sie bricht, wenn sie die Schwangerschaft abbricht.

  • Lebewesenargument: Der Fötus ist ein menschliches Lebewesen und hat folglich alle Rechte eines menschlichen Lebewesens.

Seine Kritik am Vertragsargument ruht im Wesentlichen auf zwei Schlüssen: Erstens sei die Empfängnis zwar ein Versprechen der Mutter gegenüber dem Kind, welches jedoch keinen vollstreckbaren Vertrag darstellt. Verträge seien nur vollstreck- oder einklagbar, wenn ein impliziter Diebstahl (also eine beliebige Verletzung von Eigentumsrechten) vorliegen würde - was im Falle einer Schwangerschaft nicht der Fall sei. Zweitens ist ein Vertrag eine Erklärung von übereinstimmenden, freiwilligen Willenserklärungen. Da Föten mangels Bewusstsein vertragsunfähig sind, könne auch kein Vertrag vorliegen, der die Mutter zum Austragen des Kindes verpflichtet.

Formaljuristisch betrachtet, kann man gegen Rothbards Einwände wenig vorbringen. Doch gibt es wirklich keine Vereinbarung zwischen Mutter und Kind? Hält man sich die breite Verfügbarkeit verschiedener niedrigschwelliger, kostengünstiger und wirksamer Verhütungsmittel vor Augen (ja, auch die „Pille danach” ist ein Verhütungs- und kein Abtreibungsmittel), kommt man nicht umhin zu hinterfragen, inwiefern eine konkludente Handlung durch den Vollzug von Geschlechtsverkehr vorliegt. Da ein Schwangerschaftsrisiko jedem ungeschützten, heterosexuellen Geschlechtsakt innewohnt, ist das Kind nicht nur - wie Rothbard sagt - auf „Einladung” der Mutter in ihrem Körper, sondern als eine direkte Folge aus dem Gebrauch ihres Selbsteigentums, was als schlüssige Willenserklärung das Kind nicht durch einen Schwangerschaftsabbruch zu töten interpretierbar ist.

Da das ungeborene Kind laut Rothbard nicht zustimmungsfähig ist, muss er sich auch die Frage gefallen lassen, inwiefern nicht auch die Zeugung eines Kindes einen Zwangsakt gegenüber dem Kind darstellen kann. Aus dieser Hypothese lässt sich ohne weiteres ein Kompensationsanspruch des Kindes gegenüber der Mutter ableiten, nicht abgetrieben zu werden.

Eine Analogie soll diesen Gedankengang verdeutlichen:

Stellen Sie sich vor, sie feiern auf ihrem Boot im Hafen eine Party. Einer der Partygäste schläft betrunken in einer Ecke auf ihrem Boot ein. Am nächsten Tag machen Sie eine Ausfahrt auf das Meer und bemerken fernab von jedem Ufer ihren blinden Passagier. Da sie selber einen schweren Kopf haben, haben sie sich darauf gefreut, die Ausfahrt ohne Gäste und in Ruhe unternehmen zu können - der Gast kommt Ihnen also mehr als ungelegen. Haben Sie deshalb jetzt das Recht, den ungebetenen Passagier - der womöglich auch noch Nachdurst hatte und sich an Ihren Frischwasservorräten bedient hat - über Bord zu werfen und damit seinen sicheren Tod zu verursachen? Oder hat ihr blinder Passagier nicht vielmehr das Recht, nicht von Ihnen getötet, sondern unverletzt wieder an Land gebracht zu werden?

Die dargelegte Analogie zeigt auf, dass auch die Selbsteigentumsrechte einer Abwägung der Rechtsgüter unterliegen können. Die ungewollte Anwesenheit des Passagiers mag für den Bootseigentümer unerfreulich sein, in der Güterabwägung ist das Recht nicht getötet zu werden jedoch höher zu gewichten, als das Recht in Ruhe eine Bootsfahrt zu unternehmen. Zurück zum Thema Schwangerschaftsabbruch zeigt sich also, dass die beiden Rechtsgüter „Selbsteigentum der Mutter” und „Selbsteigentum des ungeborenen Kindes” gegeneinander abgewogen werden müssen.

Bei dieser Abwägung müssen verschiedene Faktoren eingerechnet werden, insbesondere jedoch der Umstand, dass einer Abtreibung immer die Tötung des Kindes vorausgeht oder eine unmittelbare Handlungsfolge des Schwangerschaftsabbruchs darstellt. Demgegenüber steht die neunmonatige Duldung des ungeborenen Kindes durch die Mutter in ihrem Körper. Die Tötung als ultimativer Selbsteigentumseingriff stellt zweifellos die gravierendere Handlungsfolge dar.

Mit seiner Erwiderung auf das Lebewesenargument, spielt Rothbard auf diese Rechtsgüterabwägung an. Seine Position besteht darin, dass selbst wenn man dem ungeborenen Kind volle Rechte als menschliches Lebewesen zugestehen würde, das Recht als „Zwangsparasit” (engl. „coercive parasite) von dem Körper eines anderen Menschen zu leben, kein Recht eines geborenen Menschen ist und folglich auch kein Recht eines ungeborenen Menschen sein könne. Darf sich also eine Frau nicht gegen einen „Parasiten” im eigenen Körper zur Wehr setzen - was ist nun mit der Güterabwägung?

Rothbards Gleichsetzung des ungeborenen Kindes mit einem Parasiten muss fundamental widersprochen werden. Zuerst natürlich, weil diese Gleichsetzung sachlich falsch ist. Der Begriff Parasit ist in der Biologie definiert, als Lebewesen, das dauernd oder vorübergehend auf oder in einem andersartigen Organismus (Wirt) lebt und diesen schädigt. [6] Die Mutter gehört zur selben Art (homo sapiens), wie das ungeborene Kind - sie ist also kein „Wirt” und das Kind per Definition auch kein Parasit. Weiterhin schädigt eine Schwangerschaft eine Frau im Regelfall nicht, da der weibliche Körper biologisch auf eine Schwangerschaft vorbereitet ist und diese auch aktiv und selbstständig herbeiführt und unterhält. Ein Parasit muss häufig eine Form von Abwehrmechanismus überwinden (z. B. Haut, Immunsystem) oder wird zum Ziel von Abwehrmechanismen des Wirtsorganismus (Gewebeverkapselung) - dies passiert bei einem humanen Embryo nicht, der Organismus der Mutter schützt den Embryo und bekämpft diesen nicht. Die Fortpflanzungsfähigkeit des Wirts wird durch einen Parasiten typischerweise beeinträchtigt, z. B. durch eine allgemeine physiologische Schwächung, Krankheit oder vorzeitigen Tod, während das ungeborene Kind ein Ergebnis und Ziel der menschlichen Fortpflanzungsfähigkeit ist.

Da dem ungeborenen Kind sämtliche Eigenschaften fehlen, die es zu einem Parasiten im biologischen Sinne machen würden, bleibt nur die Möglichkeit, dass Rothbard den Begriff „Parasit” in seiner sozial-perjorativen, also abwertenden, Wortbedeutung verwendet.

Ist das ungeborene Kind wirklich ein sozialer Parasit? Von der entmenschlichenden rhetorischen Figur einmal abgesehen, bleibt auch hier die Frage nach der sachlichen Korrektheit. Das ungeborene Kind hat seine Situation nicht herbeigeführt, sondern wurde von dem angeblichen „Wirt” unverschuldet an seine Position gezwungen. Auch hat das Kind keine Möglichkeit, seinen Status zu ändern. Physiologisch besteht zwar eine metabolische Abhängigkeit des Kindes von der Mutter (über Nabelschnur und Plazenta), eine parasitäre Verbindung oder gar eine Stellung als „Schmarotzer” lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. Der von Rothbards Position implizierte Punkt, dass das ungeborene Kind qua Existenz im Mutterleib einen permanenten Verstoß gegen das Nichtaggressionsprinzip darstellt, kann also guten Gewissens zurückgewiesen werden. Ein Abwehrrecht der Mutter gegen einen „Zwangsparasiten” existiert mangels Zwang und Parasitenstatus des Kindes nicht und kann somit auch keinen Schwangerschaftsabbruch begründen oder legitimieren.

Zusammenfassend bleibt also festzuhalten, dass es keine naturrechtlich herleitbare Begründung für ein uneingeschränktes Recht zur Abtreibung eines ungeborenen Kindes gibt. Damit bleibt die Abtreibung ohne besonderen Grund im Sinne des Naturrechts ein Verstoß gegen das Nichtaggressionsprinzip und eine Selbsteigentumsverletzung des Kindes aus niederen Beweggründen, gemeinhin auch als „Mord” bezeichnet. Gibt es besondere Gründe, unter denen eine Abtreibung naturrechtlich herleitbar wäre?

Nachdem wir nun dargelegt haben, dass sowohl das ungeborene Kind als auch die Mutter Selbsteigentum haben und dieses im Falle eines Schwangerschaftsabbruchs einer Rechtsgüterabwägung unterliegt, welche das Selbsteigentum des Kindes aufgrund der Endgültigkeit einer Abtreibung höher gewichtet, sollten wir uns nunmehr Konstellationen anschauen, in denen die Sachlage nicht so einfach zu beantworten ist.

Wenn keine bedingungslose Herleitung für Abtreibungen aus dem Naturrecht gibt, gibt es dann besondere Gründe, unter denen ein Schwangerschaftsabbruch legitim wäre?

Abtreibungen aus medizinischen Gründen und nach Vergewaltigung/sexuellem Missbrauch

Selbsteigentum der werdenden Mutter?

Die Abtreibung eines gewollten Kindes aus medizinischen Gründen ist wohl eine der schmerzhaftesten Erfahrungen, die ein Elternpaar machen kann. Dabei ist es nur ein geringer Trost, dass dieser Abtreibungsgrund bei jährlich etwa 100.000 Schwangerschaftsabbrüchen mit ca. 4 % (Stand: 2021) aller erfassten Abtreibungen in der Bundesrepublik relativ selten vorkommt. [7]

Bei einer Abtreibung aus medizinischen Gründen besteht eine nicht unerhebliche Gefahr für Leben oder Gesundheit der Schwangeren, welche durch einen Schwangerschaftsabbruch abgewendet werden kann. Dieser Umstand der Gefahrenabwehr für den Körper und das Leben der Mutter ist eine zentrale Variable in der Güterabwägung zwischen ungeborenem Kind und werdender Mutter. Ist eine Schwangerschaft im Regelfalle ungefährlich für die Mutter, so ist diese nun selbst zu einer Gefahr geworden. Nun treten auch weitere Ergebnisoptionen auf den Plan, wie zum Beispiel der Tod von Mutter und/oder Kind oder gesundheitliche Folgeschäden (wie etwa Unfruchtbarkeit) der Mutter.

Ausgehend von dieser veränderten Konstellation stellt sich nun die Frage, ob es eine naturrechtliche Verpflichtung der Mutter gibt, ihr Leben/ihre Gesundheit zu riskieren. Da Naturrechte unveräußerlich sind, ist diese Frage klar zu verneinen: Die Mutter unterliegt keinerlei Verpflichtung Gesundheit oder Leben für das Kind zu opfern, der Anspruch des Kindes nicht getötet zu werden, wiegt in diesem Fall geringer als das Selbsteigentumsrecht der Mutter. Ein Recht auf Schwangerschaftsabbruch ist aus medizinischen Gründen prinzipiell naturrechtlich ableitbar. Im Rückgriff auf unser Bootsbeispiel müsste der Bootseigner auch keinen blinden Passagier tolerieren, der - beabsichtigt oder unbeabsichtigt - Löcher in das Boot schlägt und damit ein Sinken des Bootes herbeiführt.

Schwangerschaftsabbrüchen in Folge von Vergewaltigungen

Die Vergewaltigung gilt gesellschaftlich als eine der abstoßendsten und moralisch verwerflichsten Aggressionsformen die ein Mensch gegen einen Mitmenschen begehen kann. Sie ist eine plastische Veranschaulichung eines ultimativen Eingriffs in die körperliche Selbstbestimmung und wird in dieser Weise auch seit Jahrhunderten gedeutet. Paradoxerweise folgt das staatliche Strafrecht in den meisten Staaten ausgerechnet an dieser Stelle nicht einer naturrechtlichen Linie: Während sich nach Naturrecht jeder aggressive Eingriff in das Selbsteigentum eines Menschen verbietet, regelt das staatliche Recht weniger ob, sondern wer unter welchen Bedingungen vergewaltigt werden darf. Ein bekanntes Beispiel für diese widerwärtige staatliche Logik stellt die Vergewaltigung in der Ehe dar. Unter der Prämisse, dass die vergewaltigte Frau gleichzeitig die eigene Frau war, war die Tat nach Ansicht des Staates keine strafbare Vergewaltigung. So hieß es bis 1997 in Paragraph 177 des deutschen Strafgesetzbuch:

Wer eine Frau mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zum außerehelichen Beischlaf mit ihm oder einem Dritten nötigt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft. [8]

Der Bundesgerichtshof befand 1966 zum Thema „Vergewaltigung in der Ehe”

Die Frau genügt ihren ehelichen Pflichten nicht schon damit, daß sie die Beiwohnung teilnahmslos geschehen läßt. Wenn es ihr infolge ihrer Veranlagung oder aus anderen Gründen, zu denen die Unwissenheit der Eheleute gehören kann, versagt bleibt, im ehelichen Verkehr Befriedigung zu finden, so fordert die Ehe von ihr doch eine Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft und verbietet es, Gleichgültigkeit oder Widerwillen zur Schau zu tragen. Denn erfahrungsgemäß vermag sich der Partner, der im ehelichen Verkehr seine natürliche und legitime Befriedigung sucht, auf die Dauer kaum jemals mit der bloßen Triebstillung zu begnügen, ohne davon berührt zu werden, was der andere dabei empfindet. [9]

Es zeigt sich also, dass dem Staat jedes Verständnis für naturrechtliches Selbsteigentum, ja sogar für Grund- und Menschenrechte fehlt. Er reguliert in abstoßender Art und Weise, wie und durch wen gegen das Selbsteigentum einer Frau verstoßen werden darf. Hinweis: Auch damals war laut Grundgesetz die Würde des Menschen unantastbar, das Recht auf körperliche Unversehrtheit im Grundgesetz kodifiziert.

Konträr zum weitverbreiteten Glauben, dass Vergewaltiger durch sexuelles Verlangen motiviert würden (einer der Treiber hinter „victim blaming” und dem Provokationsmythos), lässt sich eine Vergewaltigung aus Täterperspektive als „pseudosexuelle Handlung” konzeptualisieren. [10]

Die Pseudosexualität ergibt sich aus der Motivlage des Täters, der vorwiegend eben keine sexuellen Triebe befriedigt, sondern Vergeltungs- und Kompensationsmotive auslebt. Die Vergewaltigung ist demnach die sexualisierte Ausdrucksform von Macht und Wut, die rein sexuelle Triebbefriedigung tritt in den Hintergrund. Diese Täterpsychologie untermauert die Notwendigkeit einer Betrachtung der Vergewaltigung als gegen die fundamentalen Säulen des Selbsteigentums eines Menschen gerichtete Aggression, die sich in Anbetracht der psychischen Folgen für die Überlebenden wesentlich gravierender auf das Selbst auswirkt als eine „bloße” Körperverletzung.

Entsteht nun aus dieser traumatischen Aggression eine Schwangerschaft, potenziert sich der Traumatisierungscharakter der Tat: Die Frau ist gezwungen, das Kind ihres Peinigers neun Monate lang in sich zu tragen und wird so dauerhaft an Tat und Täter erinnert. Macht man sich bewusst, dass der Täter primär durch Macht und Wut motiviert wird, wird klar, dass die Schwangerschaft nicht nur Konsequenz aus sondern ein inhärenter Teil der Tat ist. Menschlich lässt sich der dringende Wunsch nach einem Schwangerschaftsabbruch also in aller Deutlichkeit nachvollziehen. Bei Anzeichen eines sexuellen Missbrauchs gehört es glücklicherweise zum Standardprozedere, dass die Überlebende die „Pille-danach” erhält, mit der eine Schwangerschaft wirkungsvoll verhindert werden kann. Dies ist vermutlich einer der Gründe, warum die Häufigkeit von kriminologisch begründeten Abbrüchen mit einem Anteil von 0,05 % [11] an allen Abbrüchen so niedrig ist.

Die Argumentation dieses Artikels basiert auf der Erkenntnis, dass selbstverständlich die Mutter, aber auch das Kind naturrechtliches Selbsteigentum an sich selbst haben und diese Rechtsgüter im Falle eines Schwangerschaftsabbruches gegeneinander abgewogen werden müssen, möchte man eine naturrechtlich haltbare Handlung begründen.

Die Verletzung des Selbsteigentums der Frau durch den Täter ist offensichtlich, doch begründet jene gegenüber der Mutter auch eine gegenüber dem ungeborenen Kind?

Naturrechte sind fundamental, universell und unveräußerlich. Daraus folgt, dass sie nicht an Bedingungen oder dritte Faktoren geknüpft sind. Die Umstände des Zustandekommens der Schwangerschaft spielen bei der naturrechtlichen Betrachtung des Selbsteigentums des Kindes keine Rolle. Das Binnenverhältnis der jeweiligen Eigentumsrechte von Frau und Kind bleiben naturrechtlich von der Eigentumsverletzung gegenüber der Mutter unberührt. Daraus folgt, dass es naturrechtlich keine Grundlage für einen Schwangerschaftsabbruch nach einer Vergewaltigung gibt. Dies gilt natürlich explizit nicht für die Anwendung von empfängnisverhütendender Mittel nach einer Vergewaltigung. Die menschliche Härte dieser Schlussfolgerung ist durchaus bekannt, weswegen an dieser Stelle noch einmal darauf verwiesen sei, dass dieser Artikel bisher ausschließlich die Begründbarkeit von Abtreibungen aus naturrechtlicher Perspektive unter verschiedenen Rahmenbedingungen zum Inhalt hatte. Mögliche Anstöße zum praktischen Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen innerhalb einer Gemeinschaft werden im nachfolgenden, letzten Akt des Textes adressiert.

Zum praktischen Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen in einer Gemeinschaft

Selbsteigentum der werdenden Mutter?

Während sich Murray Rothbard in The Ethics Of Liberty auf die legalistischen Implikationen des Selbsteigentums auf staatliches Handeln fokussiert (i. S. v. „Darf der Staat eine Frau zwingen, ein Kind auszutragen?”, „Dürfen Eltern gezwungen werden, ihre Kinder zu ernähren?” usw.), hat dieser Artikel ausschließlich eine naturrechtliche Betrachtung von Schwangerschaftsabbrüchen fern von Fragen einer möglichen Um- oder Durchsetzung der Folgerungen durch einen Staat vorgenommen.

Als anarchokapitalistisch-libertäre Bewegung halten wir staatliches Recht per se für Unrecht. Beispiele wie das Schandurteil des BGH zu Vergewaltigungen in der Ehe aus dem Jahr 1966 oder der Paragraph 177 StGB vor der Reform zeigen auf plastische Art und Weise die Korrektheit dieser Haltung. Aus unserer Perspektive wird das Recht durch den Menschen „entdeckt” und nicht durch den Staat gemacht, alle zwischenmenschlichen Interaktionen müssen der Freiwilligkeit unterliegen, unsere Rechtsquelle ist das Privatrecht, welches sich durch freie Verträge in einer Privatrechtsgesellschaft ausprägt. Recht hat keinen Selbstzweck, es dient dazu, ein stabiles, friedliches Zusammenleben unter Berücksichtigung naturrechtlicher Freiheitsrechte zu ermöglichen und gewaltlose Möglichkeiten der Streitschlichtung anzubieten. Unsere Moral leiten wir nicht aus staatlichen Gesetzestexten ab. Decken sich staatliches Recht und Naturrecht, ist dies ein glücklicher Umstand, der aber aufgrund der staatsinhärenten Rechtswillkür wertlos ist.

Folgerichtig treffen wir keine Detaillaussagen dazu, ob der Staat eine Frau unter dieser oder jener Bedingung zum Austragen eines Kindes zwingen darf, sondern nur diese eine Grundsatzaussage:

Natürlich darf er es nicht, denn seine Existenz ist Unrecht und aus Unrecht entsteht kein Recht.

Uns interessiert die freie, also staatenlose, Koexistenz von Menschen in freiwillig gebildeten Gemeinschaften. Zum praktischen Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen in diesen Privatrechtsgesellschaften möchten wir zum Abschluss einige Worte verlieren.

Ein grundsätzliches Recht auf Schwangerschaftsabbrüche lässt sich aus dem Naturrecht nicht ableiten. Wer aus niederen Beweggründen, also zum Beispiel aus Vermögensgründen oder Lifestyle-Erwägungen (“Das Kind passt gerade nicht in meine Lebensplanung), eine Abtreibung vornimmt, tötet einen Menschen und begeht als Konsequenz einen Mord. Dies gilt sowohl für die Frau, die die Abtreibung beauftragt, als auch für den Arzt, der den Abbruch in Auftrag durchführt. Von Pro-Choicern wird zwar oftmals das Argument vorgebracht, dass sich „keine Frau diese Entscheidung leicht machen würde”, diese Behauptung erscheint angesichts der Vielzahl an Wortmeldungen aus einschlägigen Kreise - etwa in sozialen Medien, wo die Lifestyle-Abtreibung als „Verhütung mit anderen Mitteln” verstanden wird - als unhaltbar. Grundsätzlich existieren bereits jetzt viele Möglichkeiten, ein „unpassendes” Kind aus dem eigenen Leben zu entfernen, ohne dieses zu töten.

Von der breiten Verfügbarkeit sicherer und kostengünstiger Verhütungsmittel über die Babyklappe bis zur anonymen Geburt mit sofortiger Adoption gibt es, auch aufgrund des gigantischen Nachfrageüberhangs [12] nach Kindern durch Paare, die aus verschiedenen Gründen keine eigenen Kinder zeugen können, zuviele gang- und zumutbare Optionen als das eine Abtreibung aus diesen Gründen verhältnismäßig wäre. Perspektivisch wird der reproduktionsmedizinische Fortschritt auch die Eviktion des ungeborenen Kindes, also die Entfernung aus dem Mutterleib ohne vorangegangene Tötung und anschließende Unterbringung in einer künstlichen Gebärmutter, ermöglichen.

Interessanterweise wird insbesondere die Adoption von Kleinkindern und Säuglingen durch den deutschen Staat de facto unmöglich gemacht. Weswegen adoptionswillige Paare vielfach auf das Ausland ausweichen müssen und tausende Kinder hierzulande ihr Dasein in Kinderheimen, bei misshandelnden Eltern oder bei Pflegefamilien, aus denen sie jederzeit herausgerissen werden können, fristen müssen und vom Staat jede Möglichkeit auf liebende und dauerhafte Eltern geraubt bekommen.

Anders gelagert sind Schwangerschaftsabbrüche aus medizinischen Sachzwängen, welche als einziger Sachverhalt eine naturrechtliche Berechtigung aufweisen. Ein solcher Abbruch ist die legitime Ausübung des Selbsteigentum zum Selbsterhalt. So wie man sich nicht selbst in die Sklaverei verkaufen kann, so wäre auch eine solche Klausel in einem privatrechtlichen Vertrag unwirksam, da Naturrechte wie das Selbsteigentum unveräußerlich sind.

Bei Schwangerschaftsabbrüchen in Folge von Vergewaltigungen gibt es, man muss aus Gründen der Empathie mit der Überlebenden sagen „leider”, keine naturrechtliche Grundlage. Würde man eine Frau, die ohne eigenes Zutun durch einen Gewaltakt in diese entsetzliche und unmenschliche Situation gebracht wurde, behandeln wie eine Frau, die aus Lifestyle-Gründen abtreibt?

Nein. Libertär sein bedeutet, den Menschen und sein Wesen zu akzeptieren - insbesondere in Anbetracht der schrecklichen Umstände, in denen sich die Vergewaltigungsüberlebende befindet. Der Abbruch bleibt ein Rechtsbruch, nach unserem Ermessen sollte einem solchen Mitmenschen jedoch mit Empathie, Verständnis und Liebe begegnet werden. Eine Verurteilung der Tat unter diesen Umständen maßen wir uns nicht an. Ebenso wenig würden wir einen Familienvater abhalten oder ihn verurteilen, wenn er den Mörder seiner Kinder am nächsten Baum aufknüpfen würde. Da das private Recht dem Menschen dient und in dieser Rolle freie, stabile und friedliche Gemeinschaften ermöglichen soll, ist davon auszugehen, dass Privatgemeinden Ermessensspielräume bei der Beurteilung von Schwangerschaftsabbrüchen ausprägen werden. In der theoretischen Betrachtung haben klares Schwarz und Weiß ihre Berechtigung, doch die friedliche Koexistenz freier Menschen ist in der Realität durch Grautöne geprägt. Diese Grautöne sind der Treibstoff der „Entdeckung des Rechts”.

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Quellen

  • [1] David Q Stoye, Manuel Blesa, Gemma Sullivan, Paola Galdi, Gillian J Lamb, Gill S Black, Alan J Quigley, Michael J Thrippleton, Mark E Bastin, Rebecca M Reynolds, James P Boardman (2020) Maternal cortisol is associated with neonatal amygdala microstructure and connectivity in a sexually dimorphic manner eLife 9:e60729

  • [2] Jacobs, Steven, Biologists' Consensus on 'When Life Begins' (2018). http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.3211703

  • [3] Maureen L. Condic, When Does Human Life Begin? The Scientific Evidence and Terminology Revisited, 8 U. ST. THOMAS J.L. & PUB. POL'Y 44 (2013). Available at: https://ir.stthomas.edu/ustjlpp/vol8/iss1/4

  • [4] American College of Pediatricians, „When Human Life Begins“, March 2017

  • [5] Murray N. Rothbard, The Ethics Of Liberty, S. 98 (eigene Übersetzung)

  • [6] https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/parasiten/49484)

  • [7] https://www.destatis.de

  • [8] https://lexetius.com/StGB/177,4

  • [9] BGH, Urteil vom 02.11.1966 - IV ZR 29/65

  • [10] Groth, A. Nicholas. & Birnbaum, H. Jean, Men Who Rape: The Psychology of the Offender, 1979

  • [11] selbstverständlich wird der Wert sehr wahrscheinlich durch eine Dunkelziffer an kriminologischen Abbrüchen, die über die Beratungs- oder Medizinregelungen durchgeführt werden, beeinflusst. Genaue Zahlen dazu liegen uns jedoch nicht vor.

  • [12] Mehr dazu findet sich z. B. in The Ethics Of Liberty

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