Agentarius' Geldtheorie: Zwischen Praxeologie und Relativismus

Agentarius' Geldtheorie: Zwischen Praxeologie und Relativismus

Agentarius, das Pseudonym, unter dem Alfred Lansburgh schrieb, betont, dass Geld einen Anspruch auf Waren und Dienstleistungen darstellt. Wenn jemand Geld besitzt, hat er einen Anspruch (oder Recht) darauf, dass die Gesellschaft ihm Waren und Dienstleistungen zur Verfügung stellt - ihm etwas schuldet -, die er mit diesem Geld(zeichen) kaufen kann. In diesem Sinne soll Geld eine soziale Konvention sein, die auf der Akzeptanz durch die Gesellschaft basiert. Lansburgh impliziert damit, dass durch den Anspruch auf Geld "Schuld" entsteht. Geld fungiert also als Anspruchstitel auf Waren und Dienstleistungen und dass dieses Geld durch eine "Schuld" gegenüber der Gesellschaft gedeckt wird.

Geld, Schuld und Wert

In einer freien Marktwirtschaft hängt die Akzeptanz des Geldes in erster Linie von der Überzeugung der Menschen ab, dass es einen "Wert" hat und dass es als Tauschmittel akzeptiert wird. Wenn das Vertrauen in das Geldsystem erschüttert wird, kann dies den "Wert" des Geldes jedoch beeinträchtigen.

Lansburgh betont die Bedeutung von persönlicher finanzieller Bildung und individuellen Entscheidungen im Umgang mit Geld. Das heißt, er erkennt, dass jeder Mensch individuelle Präferenzen und Wertvorstellungen hat, die den Umgang mit Geld beeinflussen können. Der "Wert" von Geld resultiert nicht nur aus Angebot und Nachfrage, politischer Stabilität, Inflation etc., sondern berücksichtigt auch den subjektiven Wert, den Menschen dem Geld persönlich beimessen. An dieser Stelle ist diese Betrachtung Lansburghs mit der Handlungslogik vertretbar und stimmt damit mit der Wiener Ökonomik überein.

Agentarius betont, Geld sei eine soziale Konvention, er betont nicht, dass es eine staatliche Einrichtung gezwungener Weise braucht. Hier steht Agentarius dennoch im Widerspruch: Das Argument der sozialen Konvention baut nicht notwendigerweise auf individuellen Entscheidungen und Präferenzen der Menschen auf, wie sie Geld "bewerten". Carl Menger betont hingegen, in seiner gesondert erschienenen Ausgabe «Geld» (1892), dass es Irrtümer sind, zu glauben, Geld sei eine Konvention (oder eine Art staatliche Einrichtung). Geld als Tauschvermittler ist

[…] ursprünglich nicht durch Gesetz oder Konvention, sondern durch „Gewohnheit”, das ist, durch ein gleichartiges, weil gleichartigen subjektiven Antrieben und Intelligenzfortschritten entsprechendes Handeln gesellschaftlich zusammenlebender Individuen (als das unreflektierte Ergebnis spezifisch-individueller Bestrebungen der Gesellschaftsglieder) entstanden und schließlich durch fortschreitende Nachahmung allgemein gebräuchlich geworden. [1]

Geld ist ein allgemein akzeptiertes Tauschmittel, das es den Menschen ermöglicht, Güter und Dienstleistungen zu erwerben und zu verkaufen, ohne direkt gegen andere Güter und Dienstleistungen tauschen zu müssen, was wiederum von Angebot und Nachfrage abhängt. Das betont auch Agentarius. Was jedoch im Widerspruch steht, ist, was Menger in «Grundsätze der Volkswirtschaftslehre» (1871) schreibt. Anthony P. Mueller zitiert Menger indirekt wie folgt:

Die zu Geld werdende Ware (oder Warengruppe) ergibt sich aus der praktischen Nützlichkeit. Wie Menger betont, wäre es ein Irrtum anzunehmen, dass die Funktion des Geldes als solche 'ein Wertmaß' sei oder dem Zweck der 'Werterhaltung' diene. Diese Funktionen sind der Natur des Geldes zufällig und nicht im Geldbegriff enthalten (S. 279). Beim Tausch von Gütern gibt es keine Äquivalente im objektiven Sinne und daher kann Geld nicht als Maßstab für den Tauschwert dienen. [2]

Der "Wert" des Geldes ist letztendlich von der Akzeptanz der Gesellschaft abhängig - Geld im Sinne des allgemein akzeptierten Tauschmittels abgeleitet aus den subjektiven Wertvorstellungen. Solange die Menschen das Vertrauen in die „Wertigkeit“ des Geldes haben und bereit sind, es als Tauschmittel zu akzeptieren, bleibt es gültig. Aber wenn das Vertrauen in das Geld erschüttert wird und es somit seinen "Wert" verliert - beispielsweise aufgrund von Inflation oder Hyperinflation - wird es schwierig, die bisherigen Geldzeichen gegen Waren und Dienstleistungen zu tauschen.

Im Rahmen der Praxeologie ist Geld ein Mittel zum Zweck des Tauschs von Waren und Dienstleistungen. Es ist insofern keine Schuld, dass es als Mittel zur Begleichung von Schulden verwendet wird. Wenn eine Person eine Schuld hat, kann sie diese in der Regel durch Zahlung einer bestimmten Geldsumme begleichen. Dann ist Geld keine Schuld. Schuld hingegen ist eine Verpflichtung, zum Beispiel eine bestimmte Menge an Geld oder Waren zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückzuzahlen. Im Augenblick des direkten Tauschs, ist die Schuld abgegolten; es reduziert den Bedarf des direkten Tausches, indem Eigentumsrechte instantan ausgetauscht werden.

Agentarius impliziert, dass Geld eine Forderung gegenüber der ausstellenden Institution darstellt, was einen gewissen Zwang impliziert. Diese Interpretation von Geld als Schuld ist jedoch nicht die einzige Möglichkeit, Geld zu verstehen, und es gibt auch Ansätze, die auf einer freieren Interpretation von Geld basieren, worum es im Folgenden gehen soll.

Anspruch und Recht

Es ist praxeologisch falsch zu behaupten, dass man durch den Besitz von Geld automatisch ein Anspruch (oder Recht) hat, immer Waren und Dienstleistungen zu beanspruchen. Geld allein ist kein Rechtssubjekt und hat keine eigenen Ansprüche oder Verpflichtungen. Geld kann als ein Werkzeug verstanden werden, das von Menschen "geschaffen" wurde, um ihre wirtschaftlichen Handlungen zu koordinieren und zu regulieren. Recht ist eine Regelung der Handlungen von Individuen, die auf Grundlage von Regeln und Normen basiert. Anspruch wäre ein Recht auf Leistungen oder Besitz, das auf Grundlage von Verträgen oder Gesetzen entsteht. Damit leitet sich ein Anspruch aus dem Recht ab.

So wie es Agentarius formuliert, ist es aber eine "kratische" Definition, das heißt, sie wird als Wille vorausgesetzt und kann als feindselig betrachtet werden. Jeder Mensch stößt mit seinem Willen auf Grenzen, die auf ihm Zwang auswirken, die er zu beseitigen oder minimieren versucht und die er durch den analogen Willen anderer unterzogen ist. [3] Max Stirner schreibt,

[d]as Recht ist der Geist der Gesellschaft. Hat die Gesellschaft einen Willen, so ist dieser Wille eben das Recht: sie besteht nur durch das Recht. Da sie aber nur dadurch besteht, daß sie über die Einzelnen eine Herrschaft übt, so ist das Recht ihr Herrscherwille. [4]

Eine Regierung und das einhergehende Rechtssystem können als Instrumente betrachtet werden, um den Willen der Gesellschaft zu kanalisieren und zu regulieren. Die Absicht wäre, um den Schutz der Rechte und Freiheiten der Einzelnen zu gewährleisten und den Wohlstand und das Wohlergehen der Gesellschaft als Ganzes zu fördern. Politischer Austausch geht a priori auf Kosten und zulasten anderer, die Frage lautet dann, für wen wird Schutz und Wohlstand gewährleistet?

An dieser Stelle könnte man argumentieren, dass "eine Gesellschaft nun mal so funktioniert", doch halten wir uns das bekannte Common Law (Gewohnheitsrecht) vor Augen, auf welches sich Agentarius-Befürworter gern beziehen. Das nicht-politisierte Common Law verschafft Regeln, die Frieden und die Kooperation untereinander ermöglicht, hingegen staatliche Gesetzgebung oder andere kratische Strukturen Regeln liefert, die die Ausbeutung und Willkür begünstigen. [3] Das nicht-politisierte Common Law

[…] schafft [Regeln], die für eine friedliche Gesellschaft mit minimalen Eingriffen in die individuelle Freiheit notwendig sind. Das Recht, das aus der Beilegung tatsächlicher Konflikte hervorgeht, regelt Konflikte. Es schafft keinen Mechanismus zur sozialen Kontrolle. […] Als solches kann es uns Regeln geben, die Eigentumsrechte begründen, die Befugnis zum Abschluss von Verträgen begründen und die Pflicht begründen, angemessene Sorgfalt walten zu lassen, um unsere Mitmenschen nicht zu verletzen, aber nicht solche, die eine Staatsreligion auferlegen, Rassen trennen, einvernehmliche sexuelle Handlungen verbieten oder die Menschen zu zwingen, ihre Häuser an Bauunternehmer zu verkaufen. [5]

Es sei Vorsicht geboten, was die Interpretationen von sozialer Konvention, Gewohnheitsrecht und Geld als Anspruch bedeuten. Es bedarf nicht einmal das Märchen einer sozialen Konvention zu verargumentieren, wenn damit beispielsweise ein "Gesellschaftsvertrages" oder dergleichen gemeint ist, wenn es um Geld geht. Aus praxeologischer Sicht haben solche unscharfen Auslegungen - im Gegensatz zum nicht-politischen Gewohnheitsrecht - kein Bestehen, da die grundlegende Ungleichheit der Menschen und die unterschiedlichen Interessen zwischen den Mitgliedern einer Gesellschaft unterminiert werden können. Beispielsweise könnten mächtige (, politische) Individuen ihre Interessen gegenüber den weniger privilegierten Mitgliedern durchsetzen und damit den "Gesellschaftsvertrag" zu ihrem eigenen Vorteil manipulieren. Aus praxeologischer Sicht baut sich eine zivilrechtliche Ordnung folgendermaßen auf, dass die individuelle Freiheit der Menschen geschützt wird, ohne dass jemand durch geltende Regelungen oder Gesetze in seiner Freiheit (feindselig) einen Nachteil erleidet.

Es sei erwähnt, dass Lansburgh kein Befürworter eines staatlichen Geldmonopols oder einer staatlichen Kontrolle der Geldpolitik war. Lansburgh betont die Bedeutung von Stabilität und Vertrauen. Für ihn ist jedoch Geld eine Art soziales Konstrukt, eine Konvention mit einem Anspruch, das allerdings auch auf Vertrauen und Akzeptanz beruht.

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Quellen

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